AZ 29.11.2002

Aargauer Zeitung, Freitag, 29.11.2002

BRUGG: Der Jahreskreis der Brugger Neujahrsblätter 2003 stammt von Elisabeth Hangartner und Mariann Schneider

Durch Wort und Bild Räume öffnen
Anlässlich der Vernissage der Brugger Neujahrsblätter 2003 am kommenden Sonntag werden die diesjährigen Schöpferinnen des traditionellen Jahreskreises vorgestellt. Der GA bringt ebenso traditionell vorab ein Porträt der Künstlerinnen.

Sie waren Nachbarinnen in Riniken. Jede der beiden Frauen war aber auch musisch interessiert. Die Berufsmusikerin Elisabeth Hangartner-Strebel wohnt weiterhin in Riniken, sie spielt Orgel und Cembalo in der Kirchgemeinde Umiken und in der reformierten Kirche Brugg. Seit ihrem elften Lebensjahr schreibt sie ihre Erlebnisse in einem Tagebuch auf, aus dieser Beziehung zum Wort wurden später Gedichte. Mariann Schneider-Keller lebt seit zwei Jahren wieder am Zürichsee (wo sie schon ihre Jugendzeit verbracht hatte) und ist heute als freischaffende Malerin etabliert. Auf die Frage, was die vielseitig interessierte Hausfrau und Mutter zum Zeichnen und Malen brachte, sagt sie fröhlich: «Ich male einfach und Punkt.»

Es dürfte also kein Zufall sein, dass sich die beiden Frauen auf einer Ebene trafen, auf der sie ihre bildnerischen Kräfte in Übereinstimmung bringen konnten. «Zuerst war der Text, dann glaubten wir, dazu sollten auch Bilder kommen.» Also malte Mariann Schneider, was ihr die ausgewählten Texte von Elisabeth Hangartner an Imaginationen gab, zum Teil verwendete sie auch schon bestehende Bilder. Von dieser «Gemeinschafts-Produktion» bis zum Auftrag, für die Brugger Neujahrsblätter 2003, den Jahreskreis zusammenzustellen, war es nur noch ein kleiner Schritt. «Wir stimmten Text und Bilder aufeinander ab und dann ging alles schnell und einfach.» So kam es, dass die Leser mit dem bibliophilen Einstieg in diese wichtige Chronik der Stadt und der Region eine kleine Kostbarkeit an feinsinnigen Zeichnungen und sensiblen Gedichten in Händen halten, die sich auf das Schönste ergänzen.

«Es war unser Wunsch», erzählt die Malerin, «mit unserer Arbeit eine neue Erlebnisebene zu schaffen.» Sie gibt zu, dass es schwierig war, den Prozess, der üblicherweise beim Bild beginnt und dem Wort den erklärenden Part überlässt, umzukehren. Das habe sie gefordert, denn in der Regel arbeitet sie mit den unterschiedlichsten Techniken vom Aquarell bis zu Textilienkreationen und nach Motiven, die ihr «zustossen». Doch ihre Lust am Experiment brach auch hier durch. Sie hat sich, seit sie vor zehn Jahren zur Aquarellmalerei kam, nicht lange beim Gegenständlichen aufgehalten, sondern ist von Anfang an mehr daran interessiert gewesen, einen Duft wiederzugeben, Gefühlen nachzuspüren und Räume zu öffnen. «Ich sammle Eindrücke überall wo ich bin, das kann irgendein banales oder auch ein grossartiges Erlebnis sein. Es passiert einfach.» Diese Wahrhaftigkeit der Natur gegenüber zieht die Künstlerin konsequent durch. Von der luftigen Aquarellmalerei bis zu den Bildern, die mit Erde ­ zumeist aus der Toscana mitgebracht und selbst verarbeitet ­ gemalt sind, beherrscht sie den Klang des Raumes und der Farbe. Und wie im Aquarell Licht und Luft durchschimmern, bleibt in ihren abstrakten Bildern die Energie des Gegenstandes erhalten. «Es zieht mich immer wieder dahin, meine Eindrücke vom Leben und meine Erfahrungen im Alltag mit dem Medium Musik und dem Wort zu verarbeiten», beschreibt Elisabeth Hangartner ihren Part im vorliegenden Gemeinschaftswerk. Doch weil die Musik eher eine reproduzierende Kunst ist, sieht sie im Schreiben eine Möglichkeit, die Auseinandersetzung mit dem Alltag aus der Anonymität herauszuheben und die Fragen und Antworten, die sie findet, auf diese Weise an andere Menschen weiterzugeben. Schon früh habe sie Gedichte geschrieben und erinnert sich: «Viel Humoristisches war dabei und auch Familiäres für Feste. Doch ich spürte, dass dieses Gefühl so stark wurde, dass es nicht im stillen Kämmerlein und auf mein Umfeld beschränkt bleiben sollte.»

So wandte sie sich an ein Netzwerk schreibender Frauen und gewann Anfang dieses Jahres in einem Wettbewerb auf Anhieb eine Lesung mit ihren Arbeiten. Die Gedichte von Elisabeth Hangartner, die sie in den Brugger Neujahrsblättern 2003 vorstellt, sind ihre erste Veröffentlichung. Sie erzählen von Gefühlen und Begegnungen, von Festen und von der Liebe zum Leben. Die Leser werden feststellen, dass hier ein echtes Talent entdeckt wurde.
Lynne Faulstroh

Öffentliche Vernissage der Brugger Neujahrsblätter 2003 am Sonntag, 1. Dezember, 17 Uhr, im Salzhaus Brugg. Die Originale von Mariann Schneider-Keller sind ab 1. Dezember bis 3. Januar 2003 in der «Plattform 21» an der Brugger Hauptstrasse ausgestellt und stehen dort auch zum Verkauf.